die Künstler*innen sind anwesend (Tableau Vivant)
2019
Performance & Ausstellung
Auszug aus der Handreichung:
Die Künstler*innen sind anwesend (Tableau Vivant)
von Annika Grabold, Asli Özdemir und Tatiana Vdovenko,
kuratiert mit Simon Lunkenheimer
Die Idee des Re-enactment ist für die Ausstellung ein unerlässlicher Rahmen, denn in Verbindung mit den Ausgestellten Positionen, deren größter, gemeinsamer Nenner die Anwesenheit der Künstler*innen (ausgestelle Personen) ist, soll ebendiese problematische Logik erfahrbar gemacht und im besten Falle mit Hilfe der Besucher*innen aufgebrochen werden.
Wie unschwer zu erkennen ist, verweist der Titel der Ausstellung auf zwei bedeutungsvolle Spuren der Kunst und ihrer Geschichte. Die Künstler*innen sind anwesend verweist relativ ambig auf ein allgemeines Phänomen der ausgestellten Künstler*in als Werbeträger*in und Authentizitätsgarant, sowie auf die konkrete performative Arbeit The Artist is Present (2010) von, und den gleichnamigen, als „Geschichtsdrama“ konstatierten, Film über Marina Abramovic. Das „Tableau Vivant“ wiederum verweist auf eine künstlerische Praktik aus dem 18. Jahrhundert, bei welcher Darstellungen mythologischer, historischer und religiöser Begebenheiten nach dem Vorbild entsprechender künstlerischer Werke nachgeahmt bzw. -gestellt wurden. Es handelt sich hierbei um das Inszenieren einer Komposition, einer Konstellation bzw. eines Bild-/ Werkinhaltes, die als solche einer Transformation unterzogen wurden. Eines der bekannteren Tableau Vivants müsste Ciné-Sketch: Adam and Eve (1924) von Man Ray sein. Auf diesem Silbergelatineabzug sind Marcel Duchamp und Bronia Perlmutter zu sehen, wie sie die biblische Versuchungsszene samt Apfel und Schlange dar- bzw. nachstellen. Dabei bezieht sich Man Ray auf Vorgänger wie Albrecht Dürer, zwangsläufig aber auch,wie dieser schon,auf den Mythos. Die kritische Beurteilung von Appropriationen wurde absichtlich ausgeklammert, da es bei der Problemstellung der Ausstellung nicht vorwiegend um Nutzungsrechte bzw. Eigentumsverhältnisse zwischen Objekten und Personen geht. Im Zentrum der Ausstellung stehen Problematiken der Künstlerischen Repräsentation, der Authentizität, der sogenannten Persona und der Erwartungen an eine entsprechende Performance im heterotopischen Ausstellungsraum, sowie dem „Kunstmarkt“ und dem sog. Support-System. Die künstlerische Performance ist antizipiert, jedoch nicht gescriptet oder angeeignet. Das „Tableau Vivant“-Moment der Ausstellung entspricht also in seiner Logik eher einem Re-enactment als einer Appropriation. Die ausgestellten Positionen und Werkgruppen, die Kunstobjekte im pragmatischen Sinne, stehen dabei vorerst für sich, sie sind nicht für die Ausstellung hergestellt. Die Kausalbeziehung zwischen künstlerischer Arbeit und Ausstellung ist aber als gegenläufig zu verstehen, denn die Kunstwerke ziehen die Ausstellung nach sich, nicht andersherum. Ein weiteres Problem, was hier also thematisiert wird, ist das Paradox einer (100%) kohärenten Ausstellung. Erst im Vollzug der Ausstellungssituation wird sich zeigen, inwieweit die Exponate für die einzelnen Künstler*innen und Besucher*innen als Kunst oder Kulisse und analog die Künstler*innen und Besucher*innen selbst als authentisch oder als Schauspieler*Innen erscheinen werden, also: ob sich ein kohärentes Bild, ein Narrativ, ergibt.
von Annika Grabold, Asli Özdemir und Tatiana Vdovenko,
kuratiert mit Simon Lunkenheimer
Die Idee des Re-enactment ist für die Ausstellung ein unerlässlicher Rahmen, denn in Verbindung mit den Ausgestellten Positionen, deren größter, gemeinsamer Nenner die Anwesenheit der Künstler*innen (ausgestelle Personen) ist, soll ebendiese problematische Logik erfahrbar gemacht und im besten Falle mit Hilfe der Besucher*innen aufgebrochen werden.
Wie unschwer zu erkennen ist, verweist der Titel der Ausstellung auf zwei bedeutungsvolle Spuren der Kunst und ihrer Geschichte. Die Künstler*innen sind anwesend verweist relativ ambig auf ein allgemeines Phänomen der ausgestellten Künstler*in als Werbeträger*in und Authentizitätsgarant, sowie auf die konkrete performative Arbeit The Artist is Present (2010) von, und den gleichnamigen, als „Geschichtsdrama“ konstatierten, Film über Marina Abramovic. Das „Tableau Vivant“ wiederum verweist auf eine künstlerische Praktik aus dem 18. Jahrhundert, bei welcher Darstellungen mythologischer, historischer und religiöser Begebenheiten nach dem Vorbild entsprechender künstlerischer Werke nachgeahmt bzw. -gestellt wurden. Es handelt sich hierbei um das Inszenieren einer Komposition, einer Konstellation bzw. eines Bild-/ Werkinhaltes, die als solche einer Transformation unterzogen wurden. Eines der bekannteren Tableau Vivants müsste Ciné-Sketch: Adam and Eve (1924) von Man Ray sein. Auf diesem Silbergelatineabzug sind Marcel Duchamp und Bronia Perlmutter zu sehen, wie sie die biblische Versuchungsszene samt Apfel und Schlange dar- bzw. nachstellen. Dabei bezieht sich Man Ray auf Vorgänger wie Albrecht Dürer, zwangsläufig aber auch,wie dieser schon,auf den Mythos. Die kritische Beurteilung von Appropriationen wurde absichtlich ausgeklammert, da es bei der Problemstellung der Ausstellung nicht vorwiegend um Nutzungsrechte bzw. Eigentumsverhältnisse zwischen Objekten und Personen geht. Im Zentrum der Ausstellung stehen Problematiken der Künstlerischen Repräsentation, der Authentizität, der sogenannten Persona und der Erwartungen an eine entsprechende Performance im heterotopischen Ausstellungsraum, sowie dem „Kunstmarkt“ und dem sog. Support-System. Die künstlerische Performance ist antizipiert, jedoch nicht gescriptet oder angeeignet. Das „Tableau Vivant“-Moment der Ausstellung entspricht also in seiner Logik eher einem Re-enactment als einer Appropriation. Die ausgestellten Positionen und Werkgruppen, die Kunstobjekte im pragmatischen Sinne, stehen dabei vorerst für sich, sie sind nicht für die Ausstellung hergestellt. Die Kausalbeziehung zwischen künstlerischer Arbeit und Ausstellung ist aber als gegenläufig zu verstehen, denn die Kunstwerke ziehen die Ausstellung nach sich, nicht andersherum. Ein weiteres Problem, was hier also thematisiert wird, ist das Paradox einer (100%) kohärenten Ausstellung. Erst im Vollzug der Ausstellungssituation wird sich zeigen, inwieweit die Exponate für die einzelnen Künstler*innen und Besucher*innen als Kunst oder Kulisse und analog die Künstler*innen und Besucher*innen selbst als authentisch oder als Schauspieler*Innen erscheinen werden, also: ob sich ein kohärentes Bild, ein Narrativ, ergibt.
Da für die drei beteiligten Künstler*innen die Frage nach künstlerischer Authentizität nicht mit der Negation ihrer Möglichkeit zu lösen ist, wollten wir kein plumpes Gegennarrativ zum Personenkult in den Institutionen der bildenden Künste (um z.B. Marina Abramovic) erzählen. Es sollen in der Situation der Vernissage Paradoxien, kognitiven Dissonanzen, Hierarchien und Absurditäten der Vermarktung von (Kunst-)Personen, resp. Stars, nachgestellt bzw. nachgeahmt werden, um diese vom Staub autoritärer Mythen um Genius, Wahrheit und Schicksal zu befreien, so dass diese Absurdität auch für den Besucher als solche zu erfahren ist.
Hierzu werden die Künstler*innen mit anderen Performer*innen zur Vernissage mit den Besucher*innen zusammentreffen um eine unmögliche Möglichkeit (Derrida), ein Ereignis im emphatischen Sinne zu versuchen. Indem was zu zeigen ist, nämlich Kunst, sich nicht durch die bloße Institutionalisierung (das Ausstellen) zu solcher erhebt, sondern das Ausgestellt-sein und die Art des Ausgestellt-seins, durch performative Intervention thematisiert, in ästhetische Erfahrungen, im besten Fall ästhetische Kritik münden kann.
Hierzu werden die Künstler*innen mit anderen Performer*innen zur Vernissage mit den Besucher*innen zusammentreffen um eine unmögliche Möglichkeit (Derrida), ein Ereignis im emphatischen Sinne zu versuchen. Indem was zu zeigen ist, nämlich Kunst, sich nicht durch die bloße Institutionalisierung (das Ausstellen) zu solcher erhebt, sondern das Ausgestellt-sein und die Art des Ausgestellt-seins, durch performative Intervention thematisiert, in ästhetische Erfahrungen, im besten Fall ästhetische Kritik münden kann.
Text: Simon Lunkenheimer